Transparenz statt Geheimniskrämerei: Behörden müssen informieren

Die Akzente zur Informationspflicht der Behörden haben sich in den letzten Jahren deutlich verschoben. Galt einst Geheimhaltung als höchstes Prinzip, gilt nun der Grundsatz «Öffentlich mit Geheimhaltungsvorbehalt». Behördliche Tätigkeit muss auf Verlangen transparent gemacht werden. Geheimhaltung ist nur ausnahmsweise erlaubt.Autor: MLaw Karin Blöchlinger
Transparenz statt Geheimniskrämerei: Behörden müssen informieren

Das Öffentlichkeitsprinzip leitet sich aus der in der Bundesverfassung statuierten Meinungs- und Informationsfreiheit ab. Ohne das Recht auf Information über die Tätigkeit der Verwaltung, ist die freie Meinungsbildung über die Behördentätigkeit nicht möglich. Öffentlichkeitsgesetze stellen dies sicher, auf Bundesebene seit dem Jahr 2006, im Kanton St.Gallen seit 2014. Dies führte zu einem Paradigmen-Wechsel: Statt «Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt» gilt «Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt».

 

Wo findet das Öffentlichkeitsgesetz Anwendung?

Gemäss Öffentlichkeitsprinzip sollen «öffentliche Organe» über ihre Tätigkeit informieren und den Zugang zu amtlichen Dokumenten gewährleisten. Dazu zählen auch jene amtlichen Dokumente, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind. Zu den «öffentlichen Organen» gehören nicht nur Organe, Behörden und Dienststellen des Kantons und der Gemeinden, sondern auch solche von öffentlich-rechtlichen Anstalten des Kantons, von Gemeindeunternehmen, Gemeindeverbänden und von Zweckverbänden wie beispielsweise KulturZürichseeLinth, Zweckverband Abfallverwertung Bazenheid oder Zweckverbände KESB. Selbst Private fallen darunter, sofern sie Staatsaufgaben erfüllen.

Dazu zählt beispielsweise die nationale Netzgesellschaft Swissgrid oder ein privatrechtlich organisierter Verein, der staatliche Aufgaben erfüllt, wie etwa der Verein Südkultur im Sarganserland.

 

Kein Interessennachweis, aber Spezifikation

Das Öffentlichkeitsprinzip gewährt das Recht, Informatio­nen über die Tätigkeit des öffentlichen Organs oder den Zugang zu amtlichen Dokumenten zu erhalten. Das Gesuch muss keine Begründung enthalten, warum man diese Information oder Einsicht in amtliche Dokumente erhalten möchte. Ein schutzwürdiges Inter­esse muss also nicht dargetan werden. Allerdings empfiehlt es sich, das Gesuch hinreichend konkret zu stellen. Über die Webseite «www.oeffentlichkeitsgesetz.ch» findet man ein elektronisches Gesuchsformular und auch wertvolle Hinweise zum Stand der Rechtsprechung. Eine Analyse der Rechtsprechung zeigt, dass sich die Verwaltung des Öfteren auf den Standpunkt stellt, mit dem Gesuch liege eine unzulässige «fishing expedition» vor. Bei einer «fishing expedi­tion» geht es primär nicht darum, Zugang zu einem bestimmten Dokument zu erhalten, sondern abzuklären, ob zu einer bestimmten Frage überhaupt Dokumente bestehen. Es ist nicht Aufgabe des Öffentlichkeitsgesetzes, um­fangreiche Recherchen ohne Zusammenhang zu einem konkret umschriebenen Sachverhalt durch staatliche Stellen zu ermöglichen. Gemäss der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts St.Gallen ist eine hinreichend genaue Bezeichnung des Gesuchs gegeben, wenn «das Dokument vom zuständigen öffentlichen Organ ohne grössere Schwierigkeiten identifiziert werden kann». Es empfiehlt sich deshalb, das Gesuch thematisch, örtlich und zeitlich möglichst einzuschränken.

 

Ausnahmen von der Informationspflicht

Wie es der Grundsatz der «Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt» besagt, kann und soll dieses Informationsrecht unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Das Öffentlichkeitsprinzip gilt auf kantonaler wie auch auf Bundesebene nicht absolut. Das Informationsrecht wird eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert, sofern ihm überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Der Grundsatz der Transparenz steht im steten Spannungsfeld mit dem Interesse am Geheimnisschutz, sei es das Interesse am Geschäftsgeheimnis, am Amts­geheimnis oder am Datenschutz Dritter. Im Einzelfall muss eine Interessengüterabwägung vorgenommen werden.

Ein öffentliches Interesse steht der Auskunftserteilung insbesondere dann entgegen, wenn die Information einen unverhältnismässigen Aufwand verursachen würde. Ein schützenswertes privates Interesse steht der Auskunftserteilung insbesondere entgegen, wenn die Information geeignet ist, Persönlichkeitsrechte Dritter zu beeinträchtigen, Immaterialgüterrechte zu verletzen oder gegen Berufs-, Geschäfts-, oder Fabrikationsgeheimnis zu verstossen.

Bei den allermeisten bereits gestellten Informationsbegeh­ren waren Lebenssachverhalte anderer Bürgerinnen und Bürger mitbetroffen. Am häufigsten steht deshalb einer Auskunftserteilung die mögliche Beeinträchtigung der Privatsphäre Dritter entgegen. Mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip steht statt Auskunftsverweigerung häufig das mildere Mittel der Anonymisierung der Akten zur Verfügung. Nur dann, wenn die Anonymisierung einen so grossen Aufwand darstellen würde, dass die Behörde deswegen nahezu lahmgelegt würde, kann der Zugang zu den Dokumenten verweigert werden. In einem solchen Fall würde nämlich der Einschränkungsgrund gemäss Art. 6 Abs. 2 Bst. e) OeffG/SG greifen: der unverhältnismässig grosse Aufwand. Von einer Einschränkung gestützt darauf ist aber mit grosser Zurückhaltung Gebrauch zu machen. Bei der Herausgabe von 161 IV-Gutachten, begrenzt auf die konkreten relevanten Abschnitte, war dies bspw. nicht stichhaltig. Schliesslich müsste der Arbeitsaufwand zur Bereitstellung der Auskünfte mit einer IT-basierten Geschäftsverwaltung möglich sein und nicht die Verwaltungstätigkeit geradezu lahmlegen. Letzteres verlangt die jüngste Rechtsprechung.

Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse aufgrund eines Geschäftsgeheimnisses Dritter darf angenommen werden, wenn eine Offenlegung zu einer wirtschaftlichen Benachteiligung dieser Dritten führen würde. Darunter fallen etwa Angaben zu Organisation, Lie­feranten, Vertriebshändlern, zum Kundenkreis, zu Marktanteilen oder zur Preiskalkulation und zu Umsätzen. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde gegen einen Entscheid des St.Galler Verwaltungsgerichts gut, indem es urteilte, die politische Gemeinde Wittenbach müsse Einsicht in Dokumente gewähren, aus welchen die Vertragsabschlüsse zwischen ihr und der Verwaltungsrechenzentrum AG St.

Gallen hervorgingen. Es handle sich dabei zwar um detaillierte Leistungsumschreibungen, deren Kenntnis würden aber keine Rückschlüsse auf das Geschäftsmodell der VRSG er­möglichen. Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin war die Abacus Research AG (Wittenbach), ebenfalls ein IT-Unternehmen.

 

Wo gilt das Öffentlichkeitsgesetz nicht?

Das Öffentlichkeitsgesetz kommt nicht zur Anwendung in hängigen Verfahren der Zivil-, Straf- oder Verwaltungsrechtspflege. Es gelten dort die Regeln des jeweiligen Verfahrensrechts. In einem Leitentscheid des Ver­waltungsgerichts St.Gallen wurde entschieden, es handle sich nicht um ein laufendes Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OeffG/SG, sofern es nicht um die Akteneinsicht in konkrete oder abgeschlossene Verfahren gehe, sondern um den Zugang zur Praxis einer Rekursinstanz in einer bestimmten Rechtsfrage an sich.

Zudem sind Spezialbestimmungen der Anwendbarkeit des Öffentlichkeitsgesetzes vorbehalten. So kann bspw. ein Gericht gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip nicht dazu verpflichtet werden, sämtliche Entscheide in einer bestimmten Sache herauszugeben. Zu veröffentlichen sind nur jene von grundsätzlicher Bedeutung. Möchte man Zugang zu Personendaten erhalten, richtet sich dieser nach dem kantonalen Datenschutzgesetz.

Vom Öffentlichkeitsprinzip nicht erfasst werden schliesslich inhaltliche Bearbeitungen von hän­gigen Geschäften oder nicht öffentliche Verhandlungen (im Gegensatz zu Entscheidungen!). Ebenfalls keine Auskunftserteilung erfolgt, soweit das Gemeinwesen in einem Bereich am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt und nicht hoheitlich handelt. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Kanton nebst der Sportanlage auch einen Kiosk oder ein Restaurant betreibt.

 

Persönliche Würdigung

Vor allem marktmächtige Behörden und Institutionen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, tun sich noch schwer mit der neuen Gesetzgebung, die für sich schon eine Zangengeburt war. Die sanktgallische Verfassung kennt das Öffentlichkeitsprinzip seit dem Jahr 2003. Erst elf Jahre später hat der Kantonsrat das Gesetz verabschiedet. Dagegen gewehrt hatten sich die bürgerlichen Parteien und die Gemeinden. Ebenso gibt es auf kantonaler Ebene weder einen Öffentlichkeitsbeauftragten, noch eine Fachstelle für das Öffentlichkeitsgesetz, wie beispielsweise in den Kantonen Graubünden, Zürich und Zug. Auch ein Schlichtungsverfahren ist nicht vorgesehen. Der Rechtsweg ist nicht nur teuer, sondern dauert unter Umständen so lange, dass ein be­antragtes Dokument bei Auskunftserteilung nicht mehr interessant ist.

Das Öffentlichkeitsgesetz des Kantons St.Gallen fristet im Kantonsvergleich noch das Dasein eines Mauerblümchens. Das Pflänzlein erhält oft erst nach einem (juristischen) Gewitter Wasser. Defensiv berufen sich viele Behörden auf eine Ausnahme, statt die Regel der Ausnahme voranzustellen.

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