Die KI-Verordnung der EU und ihre Bedeutung für Schweizer Unternehmen

Die KI-Verordnung der EU wirkt auch über die Grenzen hinaus – Schweizer Unternehmen sollten jetzt prüfen, ob ihre KI-Systeme betroffen sind.Autor: Thomas Kuster
Die KI-Verordnung der EU und ihre Bedeutung für Schweizer Unternehmen

Die Verordnung über künstliche Intelligenz der EU (KI-Verordnung) bringt eine umfassende Regulierung des Einsatzes künstlicher Intelligenz mit sich, die für viele Unternehmen mit Unsicherheiten verbunden ist. Ziel der Verordnung ist es, europaweit einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen, wobei aus Unternehmenssicht sowohl zusätzliche Belastungen als auch mögliche Vorteile im Raum stehen. Auch Schweizer Unternehmen müssen sich mit der KI-Verordnung auseinandersetzen und prüfen, ob ihr Einsatz von künstlicher Intelligenz in den Anwendungsbereich der KI-Verordnung fällt.

 

1       Anwendungsbereich für Schweizer Unternehmen

Die KI-Verordnung entfaltet auch ausserhalb der EU Wirkung. Selbstverständlich müssen sich Unternehmen, welche KI-Lösungen entwickeln und anbieten, mit den Auswirkungen der KI-Verordnung befassen. Neben Anbietern von KI-Lösungen sind aber auch Betreiber von KI-Systemen betroffen: Jedes Unternehmen gilt als Betreiber, wenn es ein KI-System innerhalb der EU selbst nutzt oder sich die Nutzung in der EU auswirkt. Auch also, wenn es dies aus der Schweiz macht.

Typische für die Schweiz relevante Fallkonstellationen sind:

  • KI-Einsatz eines Schweizer Unternehmens zur Beurteilung von Bewerbungen auf eine Stellenausschreibung für eine Stelle in der EU.
  • Nutzung einer KI-Lösung zum Personalmanagement durch die Personalabteilung in der Schweiz, wenn z.B. Mitarbeitende im EU-Aussendienst betroffen sind.
  • KI-gestützte Sales-Software, welche Angebote an EU-Kunden erstellt oder analysiert.
  • KI-Komponenten, welche in ein industrielles Produkt integriert werden, das in die EU exportiert wird.

In solchen Fällen wird davon ausgegangen, dass die Resultate der KI-Anwendung in der EU Wirkung entfalten. Für Schweizer Unternehmen bedeutet dies konkret: Wer KI-Anwendungen betreibt, deren Ergebnisse in der EU verwendet werden, muss die Bestimmungen der KI-Verordnung beachten. Eine rechtzeitige sorgfältige Analyse der eigenen Prozesse und Marktbeziehungen ist daher unerlässlich, um die regulatorischen Anforderungen korrekt zu erfassen und umzusetzen.

 

2       Risikoklassifizierung nach der KI-Verordnung

Ist die KI-Verordnung anwendbar, ist vor allem der risikobasierte Ansatz der Verordnung zu beachten. KI-Systeme werden grundsätzlich in vier Kategorien eingeteilt:

  • Unzulässiges Risiko: Systeme, die eine unannehmbare Gefahr darstellen, sind verboten (z.B. bestimmte Formen der Emotionserkennung am Arbeitsplatz).
  • Hohes Risiko: Hierunter fallen KI-Systeme, die Grundrechte oder die Sicherheit wesentlich gefährden können, wie z.B. KI in sicherheitsrelevanten Komponenten von Maschinen oder im Personalwesen. Für diese gelten strikte Auflagen, insbesondere zur Risikobewertung, zur technischen Dokumentation und zu Konformitätsbewertungen.
  • Begrenztes Risiko: Systeme die Audio-, Bild-, Video- oder Textinhalte erzeugen, unterliegen besonderen Transparenzpflichten. Beispielsweise muss beim Einsatz eines Chatbots für Nutzer erkennbar sein, dass sie mit einer KI interagieren.
  • Minimales Risiko: Für die grosse Mehrheit von KI-Anwendungen gilt kein zusätzlicher regulatorischer Aufwand ausser den allgemeinen Grundsätzen, vor allem der ausreichenden KI-Kompetenz der mit der Nutzung betreuten Mitarbeitenden.

Für Schweizer Unternehmen ist es daher zentral, ihre eigenen KI-Systeme frühzeitig in diese Risikoklassen einzuordnen, um die passenden Compliance-Massnahmen planen und umsetzen zu können.

 

3       Umsetzungstermine

Die KI-Verordnung ist am 1. August 2024 in Kraft getreten und sieht eine stufenweise Umsetzung vor. Wichtige Fristen für Schweizer Unternehmen, die auf den EU-Markt abzielen, sind dabei:

  • Seit Februar 2025 gelten die Vorschriften zu verbotenen KI-Praktiken und zur notwendigen KI-Kompetenz.
  • Am August 2025 werden die Regeln für sogenannte allgemeine KI-Modelle (General Purpose AI) sowie Sanktionen bei Verstössen wirksam.
  • Ab August 2026 müssen die meisten Pflichten für Hochrisiko-KI-Systeme eingehalten werden.

Der interne Einsatz von KI sollte somit zeitnah und laufend überprüft werden, um spätestens Mitte August für die breite Anwendbarkeit der KI-Verordnung bereit zu sein.

 

4       Konkrete Auswirkungen für Schweizer Unternehmen

Die KI-Verordnung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Um die neuen Pflichten effizient und rechtzeitig umzusetzen, empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen:

  1. KI-Inventar erstellen: Alle im Unternehmen eingesetzten oder entwickelten KI-Systeme dokumentieren.
  2. Anwendungsanalyse vornehmen: Prüfen, ob Ergebnisse der Systeme in der EU genutzt werden oder dort Wirkung entfalten.
  3. Risikoklassifizierung zuordnen: Jedes KI-System gemäss den Kategorien der Verordnung (verboten, hoch, begrenzt, minimal) einstufen.
  4. Compliance-Massnahmen planen: Abhängig von der Risikoklasse konkrete Massnahmen (z. B. Dokumentation, Transparenz, Risikobewertung) treffen.
  5. Verantwortlichkeiten klären: Interne Rollen und Zuständigkeiten für die Umsetzung der Anforderungen festlegen.
  6. Externe Unterstützung einholen: Bei Bedarf spezialisierte rechtliche oder technische Fachstellen frühzeitig einbinden.

Ein strukturiertes Vorgehen erleichtert nicht nur die Einhaltung der Vorschriften, sondern stärkt auch das Vertrauen von Geschäftspartnern und erhöht die Rechtssicherheit.

Fazit

Die KI-Verordnung bringt substanzielle Änderungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz auf dem europäischen Markt. Für Schweizer Unternehmen, die in der EU tätig sind oder deren KI-Ergebnisse dort genutzt werden, entsteht dadurch ein zusätzlicher Prüf- und Umsetzungsaufwand. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Anforderungen kann helfen, Risiken zu minimieren. Es empfiehlt sich daher, bestehende KI-Systeme systematisch zu überprüfen, Compliance-Prozesse anzupassen und – wo notwendig – externe Unterstützung einholen. So lässt sich der neue Rechtsrahmen mit vertretbarem Aufwand in die Unternehmenspraxis integrieren.

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