Revision OR betreffend Inhaberaktien

Seit dem 1. November 2019 ist das Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke in Kraft. Das Global Forum-Gesetz ändert/ergänzt Bestimmungen aus dem Obligationen-, resp. Aktienrecht, Strafgesetzbuch, Steueramtshilfegesetz sowie Bucheffektengesetz. Daraus leitet sich sowohl für Verwaltungsräte der Gesellschaften als auch für Inhaberaktionäre ein Informations- und Handlungsbedarf ab. Aus der Änderung, resp. Ergänzung der Regelungen zu den Inhaberaktien ergeben sich verschiedene Problemstellungen. Einige davon sollen in diesem Beitrag dargestellt werden.Autor: M.A. HSG in Law Matthias Hüberli
Revision OR betreffend Inhaberaktien

A. Einleitung

Die Schweiz musste in den letzten Jahren einige Gesetzesrevisionen durchführen, um die internationalen Standards in Sachen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie der Bekämpfung von Steuer-betrug gerecht zu werden. Sowohl die Groupe d’action financière («GAFI») als auch das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke («Global Forum») hatten die Inhaberaktien in der Vergangenheit kritisiert. Das Schicksal der Inhaberaktien wurde dadurch massgeblich beeinflusst: Mit dem Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke («Global Forum-Gesetz») wird ein mehrstufiges Verfahren zur Abschaffung der Inhaberaktien und zur Sicherstellung der Aktionärsidentifizierung vorgesehen. Von der weitgehenden Abschaffung betroffen sind in der Schweiz insbesondere mehrere zehntausend Aktiengesellschaften.

 

B. OR-Gesetzesrevision

Inhaberaktien sind seit dem 1. November 2019 nur noch erlaubt, wenn die Gesellschaft ihre Beteiligungspapiere an der Börse kotiert oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 (BEG) ausgestaltet hat (Art. 622 Abs. 1bis OR). Letztere müssen bei einer von der Gesellschaft be-zeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sein. Neu gegründete Gesellschaften können seither nur noch mit Namenaktien im Handelsregister eingetragen werden. Das Verbot betrifft auch bestehende Gesellschaften, die bei Kapitalerhöhungen seither keine neuen Inhaberaktien mehr ausgeben können. Ferner wurde mit den neuen Regelungen ein Verfahren zur Identifikation von Aktionären in Kraft gesetzt, welche die Meldepflicht gegenüber der Gesellschaft nach dem bisherigen Recht nicht erfüllt haben.

Nebst neuen Strafbestimmungen in Fällen der Nichtmeldung der an den Anteilen wirtschaftlich berechtigten Personen sowie bei Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten zur Führung von Verzeichnissen (Art. 327 und 327a Strafgesetzbuch [StGB]), wurde auch die Meldepflicht bezüglich der an Anteilen wirtschaftlich berechtigten Personen präzisiert (Art. 697j und 790a OR ). Gegen Gesellschaften, welche ihre Bücher nicht vorschriftsgemäss führen oder welche Inhaberaktien geschaffen haben, ohne das neue Recht zu berücksichtigen, kann neu ein Verfahren wegen Organisationsmängel eingeleitet werden.

 

I. Handlungsbedarf Gesellschaft: Umwandlung Anteile

Gesellschaften mit Inhaberaktien müssen beim Handelsregisteramt innerhalb von 18 Monaten ab Inkrafttreten des Global Forum-Gesetzes, d.h. bis zum 30. April 2021, eine Eintragung nach Art. 622 Abs. 2bis OR verlangen (Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Juni 2019 [UeB]).

Verlangt eine Gesellschaft bis zum 30. April 2021 eine Eintragung, treten am 1. Mai 2021 keine Rechtsfolgen wegen Verstoss gegen das Verbot des Haltens von Inhaberaktien ein. Dies gilt auch dann, wenn das Handelsregisteramt die Eintragung i.S.v. Art. 622 Abs. 2bis OR abweist (unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots). Hat eine Gesellschaft Beteiligungspapiere an der Börse kotiert oder Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet und möchte sie diese behalten, so hat die Gesellschaft den Aus-nahmetatbestand i.S.v. Art. 622 1bis OR bis zum 30. April 2021 dem Handelsregisteramt ebenso zu melden. Nach Prüfung der eingereichten Belege der Gesellschaft trägt das Handelsregisteramt den Ausnahmefall bei der Gesellschaft in der Rubrik «Bemerkungen» ein.

Erfolgt keine Meldung, werden auch solche Inhaberaktien von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt.  Die Anpassung der Handelsregistereinträge erfolgt ab dem 1. Mai 2021 von Amtes wegen (Zwangsumwandlung; vgl. nachfolgend Ziffer 3).

 

1. Statutenänderung

Im Zentrum der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien steht die Statutenänderung: Gesellschaften, welche Inhaberaktien ausgegeben haben und keinen Ausnahmetatbestand gemäss Art. 622 Abs. 1bis OR erfüllen, müssen die Bestimmungen über das Aktienkapital und allfällige weitere Statutenbestimmungen (via Generalversammlung) anpassen. Der Beschluss zur Änderung der Statuten ist öffentlich zu beurkunden und die Änderung in das Handelsregister einzutragen (Art. 647 OR). Nach Anmeldung beim Handelsregisteramt erfolgt eine Veröffentlichung der Mutation im Schweizerischen Handelsblattamt (SHAB).

 

2. Aktienbuch

Nach der Umwandlung der Inhaber- in Namenaktien werden die Inhaberaktionäre, welche ihrer Meldepflicht nachgekommen sind, durch die Gesellschaft in das Aktienbuch eingetragen. Gibt es ehemalige Inhaberaktionäre, die ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind, vermerkt der Verwaltungsrat im Aktienbuch bei den Nummern der Aktien, dass die mit den Aktien verbundenen Rechte nicht ausgeübt werden können. Der Verwaltungsrat ist dafür verantwortlich, dass kein Aktionär, welcher seine Meldepflichten verletzt hat, die bisherigen Rechte ausüben kann (Art. 6 UeB).

Fehlen der Gesellschaft Informationen zu einzelnen Inhaberaktionären, hat der Verwaltungsrat die Inhaberaktionäre aufzufordern, sich bei der Gesellschaft zu melden (Art. 697i OR, Art. 4 Abs. 2 UeB). Sind Inhaberaktionäre weder im Verzeichnis der Inhaberaktionäre noch im Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen gelistet, hat der Verwaltungsrat durch die statutarisch vorgesehene Form und im SHAB eine Aufforderung zur Meldung zu veröffentlichen.

Der Verwaltungsrat hat zu prüfen, ob das bestehende Aktienbuch, resp. das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen den aktuellen gesetzlichen Anforderungen entspricht (Art. 6–8 UeB). Ist dies nicht der Fall, so ist das Aktienbuch auf den neusten Stand zu bringen, um Sanktionen gegen den Verwaltungsrat (Art. 327a StGB) und/oder die Gesellschaft (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR) zu vermeiden.

Ab dem 1. November 2024, d.h. zum Zeitpunkt, zu dem alle Aktien von nicht gemeldeten Inhaberaktionären nichtig werden, muss der Verwaltungsrat das Aktienbuch und die Bücher der Gesellschaft anpassen und über die Verwendung der eigenen Aktien entscheiden. Ergreift der Verwaltungsrat nicht die erforderlichen Massnahmen zur Anpassung von Aktienbuch etc. verletzt dieser seine Sorgfaltspflicht (Art. 717 OR) und muss mit einer Busse wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Füh-rung des Aktienbuchs oder Verzeichnisses und wegen Unterlassung der Buchführung rechnen (Art. 327a und Art. 166 StGB).

 

3. Zwangsumwandlung

Bei Untätigkeit des Verwaltungsrats (unabhängig davon ob ein Ausnahmetatbestand im Sinne von Art. 622 Abs. 1bis OR vorliegt oder nicht) werden Inhaberaktien am 1. Mai 2021 von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt. Das Handelsregisteramt nimmt diese Änderung von Amtes wegen vor (Art. 4 Abs. 2 UeB). Der Verwaltungsrat hat die Statuten dann in der nächsten Generalversammlung anzupassen (Art. 5 Abs. 1 UeB).

Nach der Zwangsumwandlung am 1. Mai 2021 können ehemalige Inhaberaktionäre, welche ihrer Meldepflicht bisher nicht nachgekommen sind, nur noch auf dem Ge-richtsweg (unter Nachweis der Aktionärseigenschaft sowie mit Zustimmung der Gesellschaft) die Eintragung im Aktienbuch verlangen. Die Frist für die Beantragung der Eintragung im Aktienbuch läuft am 31. Oktober 2024 ab.

Am 1. November 2024 werden (ehemalige) Inhaberaktien von nicht gemeldeten Aktionären von Gesetzes wegen nichtig. Über diese kann die Gesellschaft dann frei verfügen. Eine Handlung von Seiten der Gesellschaft ist dafür nicht erforderlich. Die Nichtigkeit kann nicht verhindert werden. Diese Aktien werden durch eigene Aktien der Gesellschaft ersetzt (Art. 8 Abs. 1 UeB). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsrat vom Nichtigwerden der Aktien nichtgemeldeter Aktionäre Kenntnis zu nehmen. Er hat das Aktienbuch und die Bücher der Gesellschaft anzupassen und über die Verwendung der eigenen Aktien zu entscheiden. Die Entstehung von eigenen Aktien löst für die Gesellschaft keine Verrechnungssteuer, Stempelabgaben oder direkte Steuern aus. Die Steuerfolgen für die Verwendung (Behalten, Kapitalherabsetzung oder Veräusserung) richtet sich nach dem geltenden Recht. Überschreitet der Nennwert der eigenen Aktien die Schwelle von 10 Prozent des Aktienkapitals (Art. 659 Abs. 1 OR), muss der den Schwellenwert überschreitende Anteil der Aktien veräussert oder durch ein Herabsetzungsverfahren vernichtet werden. 

Aktionäre, deren Inhaberpapiere ohne eigenes Verschulden nichtig geworden sind (z.B. im Rahmen einer Erbschaft), haben einen Anspruch auf Entschädigung. Die Schuldlosigkeit und die Aktionärseigenschaft zum Zeitpunkt des Nichtigwerdens der Aktien (z.B. Zeichnungsschein oder Zessionsvertrag) muss durch die Aktionäre nachgewiesen werden können. Die Entschädigung entspricht dem wirklichen Wert der Aktie zum Umwandlungszeitpunkt. Eine solche Entschädigung kann bis zum 31. Oktober 2034 gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden.

 

II. Problemstellungen im Rahmen der Umwandlung

1. Vinkulierung

Gesellschaften können statutarisch die Übertragbarkeit von Namenaktien mittels Vin-kulierung beschränken (Art. 685a Abs. 1 OR). Eine Vinkulierung war für Inhaberaktien nicht möglich. Gemäss Art. 4 Abs. 3 UeB wird die Übertragbarkeit automatisch umgewandelter Namenaktien «nicht beschränkt». Der Charakter der Inhaberaktie soll also weitgehend bewahrt werden. Statutarische Vinkulierungsbestimmungen, welche bereits bestehende Namenaktien betreffen, sind nicht automatisch auf die im Rahmen der Umwandlung betroffenen Inhaberaktien (neu Namenaktien) zu übertragen. Will die Gesellschaft die Vinkulierung auf alle Namenaktien der Gesellschaft ausdehnen, muss dies mit einer zeitlich nachher folgenden Statutenänderung erfolgen (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 UeB). Mit Ausnahme der gesetzlichen Vinkulierung bei Teilliberierung (Art. 685 OR) fallen die umgewandelten Namenaktien auch nicht unter die gesetzlichen Vinkulierungsbestimmungen.

Besitzen Gesellschaften also zum Zeitpunkt der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien bereits bestehende vinkulierte Namenaktien, entstehen nach der automatischen Umwandlung zwei Kategorien von Namenaktien: die bisherigen (vinkulierten) Namenaktien und die neuen, frei übertragbaren Namenaktien.

 

 2. Strittiges Eigentum

Wird einer Gesellschaft eine Übertragung von Aktien gemeldet, hat sie die Pflicht, die Übertragung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen. So muss sie sich im Normalfall den mit dem Indossament versehenen Titel, resp. die schriftliche Abtretungserklärung vorlegen lassen (Art. 686 Abs. 2 OR). Die Gesellschaft hat das Aktienbuch innert nützlicher Frist zu aktualisieren («vorschriftsgemässe Führung»). Sie muss gebotene Sorgfalt aufwenden. Ein Versäumnis des Aktionärs zur Meldung allfälliger Übertragungen, stellt kein Organisationsmangel der Gesellschaft dar. Es ist vielmehr Aufgabe des Aktionärs, Aktienübertragungen und Nutzniessung zu melden. Das Aktienbuch kann also trotz Abweichung zum tatsächlichen Aktionärskreis vorschriftsgemäss geführt sein.

Ist das Eigentum an den Aktien im Rahmen der Umwandlung in Namenaktien strittig, sind die streitenden Personen aufzufordern, die Eintragung des Aktionärs im Aktienregister gemeinsam zu verlangen oder ein entsprechendes Urteil vorzulegen.

 

3. Verlust Aktientitel und -zertifikat

Wurde eine Inhaberaktie als Wertpapier verbrieft, erfolgte dies in einem Aktientitel. Wurden mehrere Inhaberaktien zusammen verbrieft, geschah dies mittels einem Aktienzertifikat, resp. einer Globalurkunde. Im Rahmen der Umwandlung haben die Inhaberaktionäre ihr Wertpapier der Gesellschaft einzureichen. Ist das Wertpapier nicht mehr auffindbar oder wurde es zerstört, muss es gerichtlich für kraftlos erklärt werden. Gehen einzelne Aktientitel oder -zertifikate verloren, muss also ein langwieriges und aufwendiges gerichtliches Amortisationsverfahren durchgeführt werden (Art. 917 f. und 981 ff. OR). Erst nach Abschluss des Verfahrens kann der betroffene Eigentümer seine Rechte gegenüber der Gesellschaft (wieder) geltend machen.

 

Fazit

Das Global Forum-Gesetz und die damit verbundene OR-Gesetzesrevision hat ein-schneidende Auswirkungen auf tausend Gesellschaften und Anteilsinhaber. Im Rahmen dessen werden den Verwaltungsräten von Gesellschaften mit Inhaberaktien eine Vielzahl von Pflichten auferlegt. Zudem wurden neue Sanktionsbestimmungen in Kraft gesetzt. Per 1. Mai 2021 wandelt das Handelsregisteramt sämtliche Inhaberaktien, für welche kein Ausnahmetatbestand im Sinne von Art. 622 Abs. 2bis OR gemeldet wurde, in Namenaktien um. Inhaberaktionäre, die ihrer Meldepflicht nach dem bisherigen Recht (Art. 697i OR) nachgekommen sind und bei denen die Inhaberaktien ex lege in Namenaktien umgewandelt werden, haben keine Nachteile mit Blick auf ihre Mitgliedschafts- und Vermögensrechte zu befürchten. Inhaberaktionäre, welche ihren Meldepflichten bis zur Zwangsumwandlung vom 1. Mai 2021 nicht nachgekommen sind, können nur noch auf dem Gerichtsweg eine Eintragung ins Aktienbuch verlangen. Am 1. November 2024 werden (ehemalige) Inhaberaktien, von nicht gemeldeten Aktionären, von Gesetzes wegen nichtig. Das Global Forum-Gesetz und die gestützt darauf durchgeführte OR-Gesetzesrevision führt zu einem akuten Handlungsbedarf sowohl für die Verwaltungsräte von Gesellschaften mit Inhaberaktien als auch für noch nicht im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragene Inhaberaktionäre.

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