Sperrfristen bei Kündigung von Arbeitsverträgen – Stolperfallen vermeiden

Die Kündigung ist ausgesprochen und plötzlich liegt ein Arztzeugnis auf dem Tisch. Wie wirkt sich dies nun auf die Kündigung und auf die Kündigungsfrist aus?Autor: Raphael Koch
Sperrfristen bei Kündigung von Arbeitsverträgen – Stolperfallen vermeiden

Die Kündigung ist ausgesprochen und plötzlich liegt ein Arztzeugnis auf dem Tisch. Was viele nicht wissen: In bestimmten Situationen darf gar nicht gekündigt werden oder die Kündigungsfrist verlängert sich automatisch. Solche Schutzzeiten nennt man Sperrfristen. Eine einzige Krankmeldung kann das Arbeitsverhältnis um Wochen oder sogar Monate verlängern. Der Sperrfristenschutz nach Art. 336c OR ist eine der häufigsten Stolperfallen im Kündigungsprozess, doch mit vorausschauender Vertragsgestaltung lässt sie sich entschärfen.

Rechtliche Grundlage

Artikel 336c des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) verbietet eine Kündigung durch Arbeitgebende unter Anderem während den folgenden sogenannten Sperrfristen:

  • Militär-, Schutz- oder Zivildiensteinsatzes
  • Arbeitsverhinderung infolge unverschuldeter Krankheit oder Unfall
  • Schwangerschaft und 16 Wochen nach Geburt
  • Von Bund angeordnete Hilfsaktion im Ausland

Gemäss Art. 336c Abs. 2 OR ist eine Kündigung, welche während der obigen Sperrfristen durch Arbeitgebende ausgesprochen wird, nichtig und somit nicht wirksam, als wäre sie gar nie erfolgt. In diesem Fall muss die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Sperrfrist erneut ausgesprochen werden, wobei in solchen Situationen oft unklar ist, ob nun eine Sperrfrist läuft und wann sie zu Ende ist.

Wird die Kündigung durch Arbeitgebende vor Beginn einer der genannten Sperrfristen ausgesprochen, ist die Kündigung wirksam, es wird jedoch die Kündigungsfrist unterbrochen. Nach Wegfallen des Sperrfristengrundes läuft die Kündigungsfrist weiter. Wurde ein Kündigungstermin vereinbart bzw. gilt die gesetzliche Vermutung der Kündigung per Monatsende, verlängert sich die Kündigungsfrist jeweils bis zum nächsten entsprechenden Termin nach Beendigung der Sperrfrist. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass eine eintägige Krankheit die Kündigungsfrist um einen ganzen Monat oder noch mehr verlängert.

Tritt eine Sperrfrist aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR) in Kraft, richtet sich die Dauer der Sperrfrist nach der Anzahl Dienstjahre des jeweiligen Arbeitnehmers oder der jeweiligen Arbeitnehmerin. Die Sperrfrist beträgt im ersten Dienstjahr maximal 30 Tage, im zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr maximal 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr maximal 180 Tage. In Gesamtarbeitsverträgen können andere, meist längere Fristen vereinbart sein.

Wegfall des Sperrfristenschutzes

Um die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern, gibt es im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verschiedene Möglichkeiten, bei welchen jedoch immer Vorsicht geboten ist.

Ausserordentliche Kündigung

Nicht zum Zug kommt der Sperrfristenschutz bei einer ausserordentlichen (fristlosen) Kündigung. Für eine ausserordentliche Kündigung braucht es jedoch wichtige Gründe, welche die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. In der Rechtsprechung werden hohe Hürden an die Gültigkeit von ausserordentlichen Kündigungen gestellt, weshalb bei der Aussprache einer solchen Kündigung Vorsicht geboten ist.

Aufhebungsvereinbarung

Mit einer Aufhebungsvereinbarung kann ein Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen beendet werden. In einer solchen Vereinbarung kann das Ende des Arbeitsverhältnisses festgehalten und die Anwendung der Sperrfrist ausgeschlossen werden, sofern die Vereinbarung ausgewogen ist und gewisse Zugeständnisse zugunsten der Arbeitnehmenden enthält. Es kann jedoch auch bei einer solchen Vereinbarung zur Anwendung des zeitlichen Kündigungsschutzes kommen, wenn der Aufhebungsvertrag auf Druck der Arbeitgebenden geschlossen wurde.

Kündigung durch Arbeitnehmende

Kündigen Arbeitnehmende, kommt der Sperrfristenschutz ebenfalls nicht zur Anwendung. Dies gilt jedoch wiederum nur, wenn die Kündigung den Arbeitnehmenden nicht aufgezwungen oder sie ihnen nicht zur Vermeidung einer Entlassung nahegelegt wurde.

Vorbeugende Massnahmen bei Vertragsabschluss

Schon bei der Ausarbeitung und dem Abschluss eines Arbeitsvertrages können Massnahmen ergriffen werden, um der ungewollten Verlängerung der Arbeitsverhältnisse und dem Missbrauch des Sperrfristenschutzes entgegenzuwirken.

Keine bestimmten Kündigungstermine

Bei einer ordentlichen Kündigung durch die Arbeitgebenden können übermässige Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses trotz kurzer Krankheit verhindert werden, indem in den Arbeitsverträgen die Kündigung ohne einen bestimmten Kündigungstermin vereinbart wird. Dadurch verlängern sich Arbeitsverhältnisse jeweils exakt um die Anzahl der Krankheits-/Unfalltage und nicht z.B. auf das nächste Monatsende. Nachteil bei dieser Lösung kann sein, dass Arbeitsverhältnisse an beliebigen Daten enden können, was die Planbarkeit für die Vertragsparteien erschweren kann.

Arztzeugnis ab erstem Krankheitstag und Vertrauensarzt

Ein Mittel, um einem allfälligen Missbrauch des Sperrfristenschutzes vorzubeugen kann sein, dass im Arbeitsvertrag festgehalten wird, dass Arztzeugnisse ab dem ersten Krankheitstag bei den Arbeitgebenden eingereicht werden müssen. Zweifelt man an der Krankheit der Arbeitnehmenden kann verlangt werden, dass eine Untersuchung bei einem sogenannten Vertrauensarzt oder einer Vertrauensärztin vorgenommen wird. Dort wird die Arbeitsunfähigkeit durch eine unabhängige Person überprüft.

Fazit

Der Sperrfristenschutz nach Art. 336c OR ist in der Praxis allgegenwärtig und birgt durchaus Missbrauchspotenzial. Sowohl einseitige (fristlose Kündigung) und auch zweiseitige (Aufhebungsvereinbarung) Massnahmen zur Beendigung eines Arbeitsvertrags können rechtlich heikel und mit Risiken verbunden sein. Die Erfahrung zeigt, eine umsichtige Vertragsgestaltung und insbesondere die umsichtige Beratung vor einer Kündigung sind der Schlüssel. Sie können aufwendige Auseinandersetzungen ersparen und entschärfen für sämtliche Parteien das Potential für Unsicherheit und Missbräuche im Zusammenhang mit Sperrfristen.

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