Mein Nachbar möchte bauen – was kann ich tun?

Unter welchen Voraussetzungen kann ich eine Baueinsprache einreichen, was kann gerügt werden und wie komme ich an die nötigen Informationen diesbezüglich?Autor: M.A. HSG in Law Dario Gasser
Mein Nachbar möchte bauen – was kann ich tun?

Themen wie verdichtetes Bauen, Urbanisierung und Wohnungsknappheit beschäftigen uns alle und immer öfter. Wenn aber Bauprojekte in der unmittelbaren Nachbarschaft realisiert werden sollen, wird die ganze Sache schnell belastend und es stellt sich die Frage, ob man sich gegen die Bauprojekte zur Wehr setzen kann, was dazu nötig ist und wann eine Baueinsprache sinnvoll ist. Mit diesem kurzen Artikel sollen die grundlegendsten Informationen aufgezeigt werden, um die Chancen und Mindestanforderungen bezüglich Baueinsprachen besser abschätzen zu können.

Aktivlegitimation (Berechtigung zur Einreichung einer Einsprache)

Wichtig zu wissen ist, dass Grundeigentümer, deren Grundstück nicht mehr als 30 Meter von der geplanten Baute entfernt sind, mit eingeschriebenem Brief über die Bauvorhaben informiert werden müssen. So erhalten Sie frühzeitig Kenntnis von Bauprojekten in der Umgebung und können sich überlegen, ob Sie eine Baueinsprache einreichen möchten. Legitimiert zur Einreichung einer Baueinsprache sind hingegen grundsätzlich alle Nachbarn, die im Umkreis von 100 Metern zum Bauprojekt leben, bei grösserer Distanz muss eine Beeinträchtigung aufgrund der konkreten Gegebenheiten glaubhaft gemacht werden. Alle Nachbarn mit einer Distanz von über 30 Metern zum Bauprojekt erfahren durch amtliche Publikationen und aus der Zeitung von Bauvorhaben und müssen selbst dafür besorgt sein, an die nötigen Informationen zu kommen. Alle Bauvorhaben werden zudem innerhalb der Auflagefrist öffentlich aufgelegt und die Akten können bei der Gemeinde während dieser Frist eingesehen werden.

Bewilligungsfreie Bauten und Anlagen

Grundsätzlich bedürfen alle Erstellungen, Änderungen oder Beseitigungen von Bauten und Anlagen einer Bewilligung. Bei kleineren Bauvorhaben gibt es davon aber Ausnahmen, die in Art. 136 Abs. 2 PBG SG aufgelistet sind. So bedürfen beispielsweise mobile Bauten wie Festhütten oder Zelte, die weniger als drei Monate im Jahr aufgestellt werden, kleine Gartengestaltungen wie Brunnen oder Teiche oder unbeheizte Kleinbauten von höchstens 10 m2 bei einer Gesamthöhe von maximal 2.50 Metern (z.B. Gartenhäuschen) keiner Baubewilligung.

Öffentlich-rechtliche Baueinsprache

Sofern mit dem Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Bauvorschriften verletzt werden, gibt es die Möglichkeit, eine sogenannte öffentlich-rechtliche Baueinsprache (Art. 153 PBG SG) einzureichen. Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise Regelbauvorschriften (Gebäudehöhe, Abstandsvorschriften, Verletzung der kommunalen Zonenvorschriften, etc.) nicht eingehalten werden.

Privatrechtliche Einsprache nach Art. 684 ZGB

 Nebst der öffentlich-rechtlichen Baueinsprache gibt es die privatrechtliche Einsprache nach Art. 684 ZGB (Art. 154 PBG SG). Damit kann man sich als Nachbar insbesondere zur Wehr setzen gegen übermässige Einwirkungen des Bauprojekts auf das eigene Grundstück. Übermässige Einwirkungen sind dabei vor allem Immissionen durch Lärm, Geruch, Schall, Erschütterung, Strahlung oder Entzug von Besonnung oder Tageslicht, wobei die Hürden dazu doch relativ hoch sind. Aber auch ideelle Immissionen können mit dieser Einsprache gerügt werden, wie wenn beispielsweise Zustände geschaffen werden, die bei den Nachbarn physische Eindrücke wie Ekel, Abscheu oder Angst erwecken bzw. die Privatsphäre übermässig tangiert wird. Dies ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beispielsweise der Fall, wenn im Wohngebiet ein Bordell errichtet werden soll. Gerade an der Übermässigkeit scheitern jedoch viele Einsprachen, weil es wohl subjektiv für den Einsprechenden übermässige Immissionen sein mögen, aber in einer objektiven Betrachtung sind gerade den Zonenvorschriften entsprechende Bauvorhaben nicht übermässig, weshalb sich gerade bei solchen Einsprachen gut überlegt werden muss, ob tatsächlich Chancen bestehen, oder ob die Einsprache nicht nur querulatorisch erfolgt.

Übrige privatrechtliche Einsprachen

Schliesslich gibt es für alle anderen privatrechtlichen Einsprachepunkte, die nicht unter Art. 684 ZGB (übermässige Immissionen) fallen, noch eine weitere Einsprachemöglichkeit nach Art. 155 PBG SG. Für diese Einsprachemöglichkeit braucht es einen im Privatrecht begründeten Abwehranspruch des Einsprechers. Beispiele hierzu sind die Verletzung von Dienstbarkeiten durch das Bauvorhaben, aber auch die Verletzung rein vertraglicher Ansprüche (z.B. vereinbartes Konkurrenzverbot bei Baugesuch zur Errichtung eines Geschäfts in der Nachbarschaft) oder Ansprüche betreffend Einwirkungen auf das Nachbargrundstück durch Grabungen und Bauten können geltend gemacht werden. Klassisch dafür ist nebst der Geltendmachung von Dienstbarkeiten beispielsweise das Begehren um Aufnahme eines Rissprotokolls von der Liegenschaft des Einsprechers. Diese Einsprachen werden dann, mangels Einigung im Einspracheverfahren, mit dem Einspracheentscheid auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

 Frist und Form einer Baueinsprache

Zu beachten ist, dass Baueinsprachen immer eine Frist und eine bestimmte Form einhalten müssen. In zeitlicher Hinsicht müssen Baueinsprachen immer während der Auflagefrist eingereicht werden. Entsprechend muss die Einsprache spätestens am letzten Tag der Auflagefrist bei der Schweizerischen Post übergeben werden. Formell müssen die Baueinsprachen schriftlich erfolgen, einen Antrag und eine Begründung enthalten sowie unterzeichnet werden. Sofern aber eine Auflagefrist von 14 Tagen gilt, kann zumindest bei öffentlich-rechtlichen Einsprachen eine einmalige Nachfrist von 14 Tagen beantragt werden, um die Einsprache ausreichend zu begründen und Anträge zu stellen, damit man die Baugesuchsunterlagen mit der nötigen Sorgfalt studieren kann.

Fazit

Abschliessend lässt sich sagen, dass eine Baueinsprache eine sinnvolle Möglichkeit für betroffene Nachbarn darstellt, um Bauvorhaben zu hinterfragen und gegebenenfalls anzufechten. Dabei ist es entscheidend, die rechtlichen Grundlagen, Fristen und Voraussetzungen zu kennen, um eine fundierte und erfolgversprechende Einsprache einzureichen.

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