Verletzung von Dienstbarkeiten – was kann man tun, wie muss man vorgehen?

Unter dem Wort «Dienstbarkeit» kann man sich schwerlich etwas vorstellen, doch sehen wir uns im Alltag vielfach mit Dienstbarkeiten konfrontiert. Die Begriffe wie «Nutzniessung», «Wohnrecht» oder «Fuss- und Fahrwegrecht» sind den meisten Personen geläufig. Dabei handelt es sich um Dienstbarkeiten.Autor: MLaw Sandra Strahm
Verletzung von Dienstbarkeiten – was kann man tun, wie muss man vorgehen?

A. Was ist eine Dienstbarkeit?

Die Dienstbarkeiten gehören zum Sachenrecht und sind deshalb im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Gemäss Gesetz werden die Dienstbarkeiten in Grunddienstbarkeiten, Nutzniessung und andere Dienstbarkeiten sowie in Grundlasten unterschieden. Generell handelt es sich bei Dienstbarkeiten um Nutzungs- und Gebrauchsrechte an einer Sache. Je nach dem, zu welchen Gunsten die Dienstbarkeit bestellt wird, handelt es sich um eine Personal- oder Grunddienstbarkeit. Bei der Personaldienstbarkeit wird die Dienstbarkeit zu Gunsten einer Person bestellt. Bei der Grunddienstbarkeit sind immer zwei Grundstücke einbezogen und die Dienstbarkeit eines Grundstücks wird zu Gunsten eines anderen Grundstücks bestellt. Bei der Grunddienstbarkeit ist der Berechtigte immer der jeweilige Eigentümer des berechtigten Grundstücks.

 

B. Entstehung von Dienstbarkeiten

Personaldienstbarkeiten wie z.B. das Wohnrecht werden häufig in Ehe- und Erbverträgen bzw. Erbverträgen eingeräumt. Ansonsten setzen die Personaldienstbarkeiten einen öffentlich-beurkundeten Dienstbarkeitsvertrag sowie einen Grundbucheintrag voraus.

Will man an Grundstücken eine Nutzniessung errichten, so ist ein Eintrag im Grundbuch erforderlich, ansonsten die Gefahr besteht, dass die Nutzniessung nicht gültig errichtet wurde.

Zu den Grunddienstbarkeiten gehört unter anderem das Wegrecht (z.B. Fusswegrecht oder Fahrwegrecht). Beim Kauf einer Liegenschaft ist empfehlenswert, vorgängig einen Auszug aus dem Grundbuch zu bestellen. Aus dem Grundbuchauszug ist ersichtlich, welche Dienstbarkeiten auf dem Grundstück lasten oder welche Rechte das Grundstück besitzt. Es empfiehlt sich ferner, die Dienstbarkeitsverträge, die hinter dem Grundbucheintrag stehen, auch einzusehen und diese sorgfältig zu prüfen. Darin sind die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der eingetragenen Dienstbarkeit umschrieben. Eine Grunddienstbarkeit wird mittels Dienstbarkeitsvertrags errichtet und im Grundbuch eingetragen. Der Umfang der Dienstbarkeit wird im Dienstbarkeitsvertrag geregelt, der wie erwähnt beim Grundbuchamt hinterlegt ist. Im Kanton St. Gallen werden Eintragungen in das Grundbuch vom Grundbuchbeamten des Grundbuchkreises, in welchem die Liegenschaft liegt, vorgenommen. Auch von Gesetzes wegen kann eine Grunddienstbarkeit entstehen, z.B. das Durchleitungsrecht.

 

C. Wen betrifft eine Dienstbarkeit?

Aufgrund der unterschiedlichen Dienstbarkeiten können sich nebst Grundstückeigentümer auch Eigentümer einer Eigentumswohnung oder Stockwerkeigentum mit einer Dienstbarkeit konfrontiert sehen.

 

Beim Kauf einer Liegenschaft ist empfehlenswert, vorgängig einen Auszug aus dem Grundbuch zu bestellen.

 

D. Arten von Dienstbarkeiten

Zu den wohl bekanntesten Dienstbarkeiten gehört nebst der Nutzniessung das Wohnrecht. Die Nutzniessung und das Wohnrecht finden meist Eingang in Regelungen in Ehe- und Erbverträgen oder letztwilligen Verfügungen. Sie verfolgen das Ziel, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, nach dem Ableben des erstversterbenden Ehegatten in der Familienwohnung zu verbleiben.

 

1. Wohnrecht

Das Wohnrecht umfasst die Befugnis, in einem Gebäude oder einem Teil des Gebäudes (z.B. Wohnung) zu wohnen.6 Das Wohnrecht ist unübertragbar und unvererblich. Wird dem überlebenden Ehegatten ein Wohnrecht an der ehelichen Liegenschaft vom erstversterbenden Ehegatten eingeräumt, so ist der überlebende Ehegatte dazu berechtigt, das Wohnrecht ausüben.

 

2. Nutzniessung

Die Nutzniessung kann insbesondere an beweglichen Sachen (z.B. Aktien), an Grundstücken oder an einem Vermögen eingeräumt werden. Wie bereits ausgeführt, findet sich oft in Ehe- und Erbverträgen oder Erbverträgen eine Nutzniessungsregelung.

Wurde die Nutzniessung des überlebenden Ehegatten beispielsweise in einem Ehe- und Erbvertrag eingeräumt und tritt die vorstehend genannte Situation ein, so hat der überlebende Ehegatte das Recht, die Liegenschaft zu nutzen (z.B. darin zu wohnen) und zu gebrauchen (z.B. zu vermieten). Das Eigentum an der Liegenschaft steht dem überlebenden Ehegatten alleine aufgrund der Nutzniessung hingegen nicht zu. In der genannten Konstellation geht das Eigentum an der Liegenschaft beim Tod des erstversterbenden Ehegatten auf die Erbengemeinschaft über.

 

3. Wegrecht

Bei einem Wegrecht handelt es sich um eine Grunddienstbarkeit, da zwei Grundstücke involviert sind. Das eine Grundstück ist mit einem Wegrecht belastet (z.B. einem Fussweg) und das andere Grundstück ist berechtigt, den Zugang über den Weg zu erhalten. Ein Wegrecht wird mittels Dienstbarkeitsvertrag errichtet und im Grundbuch eingetragen. Im Vertrag wird festgelegt, welche Rechte und Pflichten das belastete Grundstück und das berechtigte Grundstück haben.

Die neueren Dienstbarkeitsverträge, die ein Fuss- und/oder Fuss- und Fahrwegrecht enthalten, sind üblicherweise mit einem vermassten Situationsplan versehen, damit von vornherein klar ist, welches die dienstbarkeitsbelastete Fläche ist. Die älteren oder ganz alten Dienstbarkeitsverträge dagegen sind häufig sehr rudimentär formuliert, was dann auch erst Jahre oder gar Jahrzehnte später zu langwierigen Auseinandersetzungen führen kann.

Wird z.B. ein Fusswegrecht vereinbart, sollte im Dienstbarkeitsvertrag Folgendes klar festgelegt werden:

  • dass es sich um einen Fussweg handelt
  • allfällige Beschränkungen
  • wie der Fussweg verläuft (mittels zum Dienstbarkeitsvertrag gehörigen Situationsplan)
  • wer für den Unterhalt des Fusswegrechts verantwortlich ist und die Kosten dafür zu tragen hat.

 

4. Baurecht als Dienstbarkeit

Meist wird unter Baurecht das Recht und die Regeln zur Erstellung eines Grundstücks und somit das öffentliche Baurecht verstanden. Das Baurecht als Dienstbarkeit ist jedoch nach wie vor gebräuchlich. Bei einem Baurecht als Dienstbarkeit fällt der Eigentümer des Grundstücks mit dem Eigentümer der darauf errichteten Liegenschaft auseinander. Im Baurechtsvertrag ist sodann Inhalt und Umfang des Baurechts zu regeln. Ein selbständiges Baurecht bedarf nebst dem Baurechtsvertrag einer Eintragung im Grundbuch. Besteht der Wunsch, beim Baurechtsinhaber die Dienstbarkeit zu belasten (z.B. mit einer Hypothek), ist dies nur möglich, wenn das Baurecht als selbständiges Grundstück im Grundbuch eingetragen ist.

 

E. Verletzung der Dienstbarkeit

Probleme im Zusammenhang mit Dienstbarkeiten können in verschiedenen Formen in Erscheinung treten. So können z.B. bereits die Formvorschriften (z.B. öffentliche Beurkundung des Dienstbarkeitsvertrages und Eintrag im Grundbuch) nicht eingehalten sein oder der Berechtigte kann z.B. sein Recht aus der Dienstbarkeit gar nicht oder nicht mehr ausüben. Als konkretes Beispiel kann genannt werden, dass das Fusswegrecht vom belasteten Grundstückseigentümer verwehrt wird, indem z.B. Blumentöpfe auf die dienstbarkeitsbelastete Fläche gestellt oder der Durchgang durch einen Zaun verunmöglicht wird. Weiter kann z.B. das Wohnrecht nicht ausgeübt werden, weil ein anderes Familienmitglied die Wohnung nicht räumt. Ebenso ist eine Verletzung denkbar, indem der Eigentümer aussergewöhnliche Reparaturen der mit dem Wohnrecht belasteten Wohnung nicht vornimmt.

Bei einer Verletzung von Dienstbarkeiten ist oft der Gang zum Gericht als letzte Möglichkeit unausweichlich. Hierzu stehen verschiedene Möglichkeiten offen, die je nach Verletzung zur Verfügung stehen.

Dem Dienstbarkeitsberechtigten von Grunddienstbarkeiten stehen dieselben Rechte wie die des Eigentümers zur Verfügung. So sind dies z.B. die Selbsthilfe, die Klage aus Besitzesentziehung und die Klage aus Besitzesstörung. Meist steht auch die Klage aus dem Recht zur Verfügung. Bei der Selbsthilfe handelt es sich insbesondere um die Vertreibung von nicht berechtigten Personen. Die Anwendung von Gewalt ist durch die Selbsthilfe grundsätzlich nicht gedeckt. Zu beachten gelten hier die kurzen Fristen. Die Selbsthilfe ist nur möglich, sofern sie sofort erfolgt. Die Klagen aus Besitzesentziehung und Besitzesstörung sind nur zulässig, sofern der Besitzer sofort nach Kenntnis über den Eingriff und den Täter die Sache zurückfordert oder die Beseitigung der Störung verlangt. Die Verjährungsfrist beträgt ein Jahr und beginnt mit der Entziehung oder der Störung, auch wenn die Kenntnisnahme über den Eingriff und den Täter erst später erfolgt.

Beim vorerwähnten Fall, in welchem der Eigentümer der mit einem Wohnrecht belasteten Wohnung die aussergewöhnlichen Reparaturen nicht vornehmen wollte, ging der Wohnrechtsberechtigte gegen den Eigentümer gerichtlich vor. Das Kantonsgericht St. Gallen hatte in seinem erwähnten Entscheid zu beurteilen, ob der Eigentümer dazu verpflichtet ist, Sanierungsmassnahmen an der Liegenschaft vorzunehmen. Das Kantonsgericht kam dabei zum Schluss, dass der Eigentümer berechtigt aber nicht dazu verpflichtet sei, aussergewöhnliche Reparaturen vorzunehmen. Aus diesem Grunde konnte der Eigentümer nicht zur Leistung der Sanierungsmassnahmen gerichtlich verpflichtet werden. Dem Wohnrechtsberechtigten wurde im konkreten Fall jedoch das Selbsthilferecht auf Kosten des Eigentümers zugestanden (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, BO.2015.53 vom 25. Oktober 2016).

Doch nicht nur dem Dienstbarkeitsberechtigten kommen Rechte zu. So sieht das Gesetz für den Eigentümer einen Anspruch auf Ersatz für Schäden, den ihm der Nutzniesser zugefügt hat, vor. Zu berücksichtigen gilt hier die kurze Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Eigentümers gegenüber dem Nutzniesser wegen Veränderung oder Wertverminderung der Sache. Sie beträgt nur ein Jahr.

 

Bei einer Verletzung von Dienstbarkeiten ist oft der Gang zum Gericht als letzte Möglichkeit unausweichlich.

 

F. Empfehlung

Aufgrund der nicht zu unterschätzenden Komplexität und der kurzen Fristen ist es im konkreten Fall empfehlenswert, bei der Errichtung des Dienstbarkeitsvertrags als auch bei Streitigkeiten über eine Dienstbarkeit rechtzeitig eine Fachperson beizuziehen.

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