Erbstreit vermeiden: Warum Mediation bei der Nachlassplanung helfen kann

Wer früh über das Erbe spricht, beugt Streit vor. Mediation unterstützt Familien dabei, sich fair und einvernehmlich zu einigen.Autor: Master of Law Sarah Parrini
Erbstreit vermeiden: Warum Mediation bei der Nachlassplanung helfen kann

Erbstreit vermeiden: Warum Mediation bei der Nachlassplanung helfen kann

Wenn ein Mensch stirbt, geht es für die Hinterbliebenen nicht nur um rechtliche Fragen. Es geht um Erinnerungen, Emotionen – und oft auch um langjährige familiäre Spannungen. Die Aufteilung eines Nachlasses kann Familien verbinden. Oder entzweien.

In der Schweiz ist jede zehnte Erbschaft konfliktbelastet. Auch wenn nicht alle Fälle vor Gericht landen, bleiben familiäre Beziehungen oft dauerhaft beschädigt oder zerbrechen ganz. Dabei lassen sich viele dieser Konflikte vermeiden – mit frühzeitiger, transparenter Kommunikation und einer sorgfältigen Nachlassplanung.

Genau hier setzt die Mediation an: Sie schafft einen strukturierten Rahmen für Gespräche, bevor es zu Auseinandersetzungen kommt – und unterstützt dabei, tragfähige Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können.

Wenn Erben mehr als nur Paragraphen sind

Das Erbrecht erscheint auf den ersten Blick eindeutig: Die gesetzliche Erbfolge bestimmt, wer im Todesfall zum Erben wird. Gleichzeitig ermöglicht das Testament – oder auch ein Erbvertrag – eine individuelle Nachlassregelung. Doch in der Praxis zeigt sich häufig, dass erbrechtliche Regelungen komplex sind. Unklare Formulierungen, übergangene Pflichtteilsansprüche oder emotionale Spannungen zwischen Miterb:innen führen nicht selten zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Eine frühzeitige und juristisch fundierte Nachlassplanung ist daher unerlässlich.

Einige typische Konfliktsituationen:

  • Ein Ferienhaus soll vererbt werden – zwei Kinder möchten verkaufen, das dritte will es behalten.
  • Ein Elternteil möchte ein Kind bevorzugen, etwa wegen Mitarbeit im Familienunternehmen – doch wie lässt sich das gegenüber den Geschwistern rechtfertigen?
  • Nach einer zweiten Ehe gibt es Stiefkinder oder neue Partner:innen – wie sollen sie berücksichtigt werden, rechtlich wie emotional?
  • Zu Lebzeiten erfolgen Schenkungen – wie empfinden andere Familienmitglieder diese Bevorzugung?

Diese Fragen betreffen nicht nur juristische Regelungen, sondern auch Erwartungen, Enttäuschungen und familiäre Rollenbilder. Werden diese Themen nicht rechtzeitig angesprochen, entstehen leicht Missverständnisse oder Verletzungen – mit Folgen, die sich oft erst nach dem Erbfall zeigen.

Was ist eine Mediation – und wie funktioniert sie im Erbrecht?

Mediation ist ein freiwilliges, strukturiertes Verfahren zur Konfliktlösung. Dabei setzen sich alle Beteiligten – unter Anleitung einer neutralen, speziell ausgebildeten Fachperson – gemeinsam an einen Tisch. Ziel ist nicht, einen Streit zu entscheiden, sondern ihn gar nicht erst entstehen zu lassen.

In der Nachlassplanung kann Mediation bereits zu Lebzeiten der Erblasserin oder des Erblassers eingesetzt werden. Zentrale Fragen rund um Testament, Schenkungen, Erbquoten oder Vermögensaufteilung können gemeinsam und im geschützten Rahmen geklärt werden. Die Mediatorin oder der Mediator unterstützt dabei, Interessen sichtbar zu machen, Missverständnisse auszuräumen und Lösungen zu entwickeln, die für alle tragbar sind.

Dabei geht es nicht nur um juristische Aspekte – sondern auch um das Zwischenmenschliche: Zuhören, gegenseitiger Respekt und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.

Vorteile einer Mediation bei der Nachlassplanung

Die Erfahrung zeigt: Wenn Familien frühzeitig das Gespräch suchen, lassen sich viele spätere Konflikte vermeiden. Mediation bietet dafür den passenden Rahmen – vertraulich, strukturiert und lösungsorientiert.

Die wichtigsten Vorteile auf einen Blick:

  • Stärkung familiärer Beziehungen: Gemeinsame Gespräche fördern Verständnis und Vertrauen.
  • Vermeidung emotionaler Eskalationen: Potenzielle Konfliktthemen werden rechtzeitig erkannt und bearbeitet.
  • Individuelle Lösungen: Anders als im Gerichtsverfahren können kreative und passgenaue Vereinbarungen gefunden werden.
  • Frühzeitige Klärung von Erwartungen: Transparenz verhindert Enttäuschungen.
  • Rechtssicherheit: Die Ergebnisse der Mediation lassen sich in rechtsgültigen Dokumenten wie Testamenten oder Erbverträgen umsetzen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Ehepaar besitzt ein Ferienhaus im Kanton Graubünden, das seit Generationen im Familienbesitz ist. Die drei erwachsenen Kinder sollen dereinst erben. Zwei wohnen weit entfernt und möchten das Haus verkaufen. Das dritte – mit vielen persönlichen Erinnerungen an die Ferienzeit – möchte es behalten.

Im Rahmen einer Mediation wurden unterschiedliche Vorstellungen offen angesprochen. Gemeinsam wurde eine Lösung erarbeitet: Das eine Kind übernahm das Haus, während die Geschwister eine faire Ausgleichszahlung erhielten. Die Familie konnte den Nachlass einvernehmlich regeln – ohne Streit, ohne juristische Auseinandersetzungen.

Fazit: Weitsicht statt Streit

Eine Mediation in der Nachlassplanung ist kein Zeichen von Misstrauen – sondern Ausdruck von Verantwortung. Verantwortung gegenüber dem eigenen Vermögen, aber vor allem auch gegenüber der Familie.

Wer frühzeitig das Gespräch sucht, schafft Klarheit – emotional und rechtlich. So wird der Nachlass nicht zum Streitfall, sondern zu einem letzten Akt der Fürsorge und des Respekts.

Fazit

Eine Mediation in der Nachlassplanung ist kein Zeichen von Misstrauen – sondern Ausdruck von Verantwortung. Verantwortung gegenüber dem eigenen Vermögen, aber vor allem auch gegenüber der Familie. Wer frühzeitig das Gespräch sucht, schafft Klarheit – emotional und rechtlich. So wird der Nachlass nicht zum Streitfall, sondern zu einem letzten Akt der Fürsorge und des Respekts

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